grenzgehend
Mitten im Dorf liegt der Hof, abgeschirmt vom hohen Jägerzaun und der Eiche, die älter ist als sie alle zusammen. Wenn Heinrich unter ihr steht, hört er nur die Schnellstraße, sonst nichts. In den Pferdeboxen liegt altes Stroh, in den Spinnweben sammelt
sich klumpig-braun der Dreck; während sein Vater und seine Großmutter am Bild des prestigereichen Zuchthofes festhalten, weiß Heinrich längst, dass nichts als eine Ruine übrig ist
Dann beginnt der Hof zu suchen, auf Wunsch der Mutter hin und nach Unterstützung, und jemand Fremdes stellt sich vor. Fries verschiebt das Gefüge und wird durch siene Nicht-Binarität zur Projektionsfläche aller Hofbewohner:innen: Während Heinrich
zwischen Obsession, sexueller Anziehung und seiner Scham über beides hin- und hergerissen ist, glaubt sein Vater, einen würdigen Sohn und Nachfolger gefunden zu haben.
Seine Mutter legt die romantischen Gefühle, die sie nur aus Büchern kennt, auf Fries, und bei Heinrichs Großmutter kommen noch ganz andere Sehnsüchte an die Oberfläche.
Dann zerschneidet die Katastrophe die Stille; Heinrichs Mutter liegt tot in einer der Pferdeboxen, Fries ist verschwunden. Heinrich verbringt die Tage bis zur Beerdigung wie
hinter Milchglas und bewegt sich auf der Suche nach Schuldigen durch ein Kabinett aus Kippbildern. Bis er auf einmal weiß , was er tun muss.
Ein Roman über die Mystifizierung und Fetischisierung queerer Menschen, über Grenzen, die dann doch nur Ubergänge sind, und die unbedingte Frage danach, ob die Verantwortung für unsere Taten wirklich immer nur bei uns selbst liegt.
Juli Haase
geboren 1996 in Hamburg, hat Kultur- und Bildungswissenschaften studiert. Seit 2021 im Master Literarisches Schreiben und Lektorieren in Hildesheim. Hat in Anthologien veröffentlicht und las auf Einladung in der Lesereihe aufbrüche / junge literatur 2022 in Lüneburg aus dem aktuellen Romanprojekt. Preisträger:in des Publikumspreises der Ersten Hildesheimer Pferdelesung.
Blauer Salon 2023
Wie jedes Jahr gewähren die Master-Studierenden des Literaturinstituts Hildesheim im Rahmen des Blauen Salons einen Einblick in die Roman-Projekte, an denen sie im Zuge ihres Studiums arbeiten. Auszüge aus Texten, die in den vergangenen Jahren entstanden und gewachsen sind, an denen geschliffen und gefeilt wurde und die nun bereit sind, veröffentlich zu werden.
Die Mitschnitte der Lesungen auf Litradio stammen von Releaselesung des Blauen Salon am 17.05.2023 im Literaturhaus St. Jakobi.
Der Blaue Salon 2023 erscheint in der Edition Paechterhaus und hier hier zu erwerben.