Städtebauliche Leitbildwechsel eröffnen eine interessante Perspektive auf jene Prozesse, in denen die Qualitäten und Bedeutungen städtebaulicher Strukturen unterschiedlicher Epochen (neu) verhandelt werden. Denn Leitbildwechsel basieren maßgeblich auf dem Abweichen von der bisherigen Routine, deren Darstellung als Kontrastfolie und deren Diskreditierung. Ebenso wichtig sind aber auch der Rückgriff, das Anleihenehmen und das lernende Anknüpfen an städtebauliche Strukturen der Vergangenheit.
Dabei eröffnen die jeweils konstruierten Krisen des bisherigen Leitbildes unterschiedliche Möglichkeitsfenster für die Neuverhandlung städtebaulicher Vergangenheiten als positive Impulsgeber. Beides – sowohl die spezifische Krisenkonstruktion als auch die Re-Evaluierung bestimmter Vergangenheiten – sind dabei nur aus dem jeweiligen sozio-ökonomischen und politischen Kontext zu verstehen, in dem sich der Leitbildwechsel vollzieht.
Aus dieser Perspektive diskutiert Daniela Zupan den Leitbildwechsel von der Siedlung der Moderne zum kompakten mischgenutzten Quartier in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich. Anhand einer Diskursanalyse legt sie unterschiedliche Krisenkonstruktionen frei, diskutiert diese als Ausdruck einer unterschiedlichen Verhandlung des Erbes des sozialen Wohnbaus, und geht der Frage nach, welche Wirkung dies auf den Verlauf des Leitbildwechsels und auf seine Ausprägung in den jeweiligen Kontexten genommen hat.
Daniela Zupan (Dr.-Ing. Mag. phil.) ist Juniorprofessorin für European Cities and Urban Heritage an der Bauhaus-Universität Weimar. An ihre Studien der Architektur an der Technischen Universität Graz und der Slawistik an der Karl-Franzens-Universität Graz schloss sich eine Promotion an der Universität Stuttgart an. Ihr Promotionsvorhaben entstand in dem DFG-geförderten Projekt InnoPlan und befasste sich mit der Frage, wie sich substanzielle Erneuerungen in Städtebau und Stadtplanung vollziehen. Die Arbeit ist 2018 in Buchform unter dem Titel „Leitbildwechsel. Dynamiken und Charakteristika städtebaulicher Innovationsprozesse“ erschienen. Von 2016-2018 forschte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der RWTH Aachen zu Stadtentwicklungsprozessen in Deutschland, Russland und der Ukraine, im Anschluss hatte sie ein Postdoctoral Research Fellowship an der Higher School of Economics in Moskau inne.
Die Vorlesung wurde im Rahmen der Ringvorlesung “Identität und Erbe” des DFG-GRK 2227 am 10.12.2019 im Hörsaal D Marienstraße 13 an der Bauhaus-Universität Weimar aufgezeichnet.
Weitere Infos erhalten Sie unter www.identitaet-und-erbe.org
Identität und Erbe