Im Gespräch mit Marie-Luise Scherer und Arnold Stadler
“Beobachtungsvirtuosität in Sprache”, sagt Arnold Stadler über das, was Marie-Luise Scherer geschrieben hat. Zweimal war sie in Russland, um für ihre lange Reportage Der Akkordeonspieler zu recherchieren. Da hatte Marie-Luise Scherer längst angefangen zu schreiben. Sie nimmt sich Zeit. Denn vielleicht ist so eine Geschichte ja nie zu Ende.
Als Reporterin, sagt Marie-Luise Scherer, hat sie keine Mitteilungspflicht. Die Reporterin Marie-Luise Scherer steht auch vor Aufgabe, ihr Personal gerade auch dort zu beschreiben und zu konturieren, wo sie ihm nicht folgen kann, weil er Wesenszüge offenbart, die sie befremden.
Sie notiert. Und das bedeutet: Nebensächliches, Details, Ausschnitte, Farben, einzelne Wörter, Namen, Bezeichnungen von Dingen, ihre Form, ihr Gewicht, ihr Aggregatzustand. Alles, was man sehen kann, und alles was man sieht, wenn man schon oft auf diese Weise beobachtet und zugehört hat. Dann beginnt die Arbeit.
Ich habe mit Marie-Luise Scherer und dem befreundeten Schriftsteller Arnold Stadler im März 2004 in Scherers Haus in Damnatz an der Elbe gesprochen.
Marie-Luise Scherer starb im Dezember 2022 im Alter von 84 Jahren.